RegioMotoClassica Offenburg   

am 20./21. Mai 2006

Tempo Nebensache

Vier Fahrzeuge der IG Roadster nahmen am Sonntag, 21. Mai 2006, anlässlich des 26. Int. Festivals für Oldtimer und Veteranen an der „Familienausfahrt“ durch die Ortenau teil.

Offenburg/Messegelände

Heute ist es im TR 6 auf meinem Beifahrersitz besonders eng. Ich muss auf meinem Schoß Streckenverlaufspläne, Fragebogen, unsere regionale Straßenkarte und einen Zettel für persönliche Aufzeichnungen auf einem Schreibbrett balancieren, das dafür viel zu klein ist. Aber das macht alles nichts, denn damit wird es in dem ohnehin kleinen Cockpit nur noch gemütlicher.

Gerade haben wir gegen 11 Uhr mit Startnummer 33 das Messegelände und die Beifall klatschende Zuschauermenge verlassen und fiebern einer 80 Kilometer langen Familienrundfahrt durch die Ortenau entgegen, von der die Organisatoren der Messe Offenburg-Ortenau erlebnisreiche Stunden versprechen. Was werden die nächsten 4 Stunden für Überraschungen bringen?

 

Bis zur ersten Durchfahrtskontrolle (es waren 6 DK) sind die circa 100 Oldtimer, Veteranen und historischen Motorräder noch nicht warm gelaufen. Die Kronenbrauerei in Offenburg lässt in ihrem Hof Fahrer und Mitfahrer Getränke nach Wahl tanken. Das Wetter dürfte nicht besonders durstig machen, ist es doch eher bedeckt und maikühl.

Mit der bohrenden Frage: „Wie viele Brauereien gibt es in Offenburg und Umgebung?“, rollen wir vom Hof des Brauhauses und wissen nicht ob wir 3, 4 oder 7 auf dem Fragebogen ankreuzen sollen. Immer diese Schätzfragen!!!

 

Boxenstopp mit Mittagstisch

Auf schmalen Schleichwegen schlängeln wir uns, mal im Pulk, mal alleine durch die liebliche Ortenau. Das Tempo wird hier zur Nebensache, ist man doch wie ein Pfadfinder mit dem Streckenplan, mit Kreuzungen, die nicht so eindeutig den Weg weisen, voll konzentriert. Hinter Zunsweier windet sich die Trasse weiter an den Flanken der Weinberge entlang. Immer wieder bleiben wir kurz stehen, weil uns Zweifel an unserer Orientierung kommen. Sind wir hier in der Pampa noch richtig? Bange Minuten - ah, da tauchen wieder ein paar Motorräder auf, deren Fahrer sich auch suchend umblicken. Nach kurzem Zunicken klappt die Verständigung und weiter geht’s.

Am Fahrzeugauflauf in Niederschopfheim merken wir, dass es hier einen längeren Boxenstopp gibt. An langen Tischen wird in der Mehrzweckhalle gegessen. Man trifft wieder alle vom Start und tauscht sich lebhaft über die Strecke aus. Wir winken Gerd Werner und Waltraud Stephan am Nachbartisch zu, die mit ihrem Mercedes SL auch dabei sind. Jean-Martin Degermann und Klaus und Monika Wissmann sind auch in der Menge auszumachen. Hunde, Kinder, Motorsportbegeisterte aller Altersklassen wimmeln um Büfett und Tische herum.

Wir sitzen mit unseren langjährigen Freunden zusammen, die einen gelbschwarzen Chevrolet von 1930 fahren. Plötzlich gesellen sich einige Männer zu uns. In kultigem Schwarz mit Halstuch und Overall diskutieren sie übers Wetter. „Wow, ganz in Schwarz,“ – staunt unser Freund Rolf, „sieht man doch gleich, dass ihr Motorradfreaks seid.“ Gerhard antwortet mit Blick auf Rolf : „Der muss immer nur Gelb tragen, weil sein Oldie Gelb ist!“ Die Freaks lachen und erzählen ungezwungen, was sie so bewegt.

„Ja, wenn sie als lauft, dann geht sie“, meint der eine neben mir mit Schnauzbart und kleiner Platte und ist sichtlich erfreut, als ich nach seiner Zündapp frage. Originalzustand, von 1952, schon 15 Jahre in seinem Besitz, fährt auf seiner Kraftmaschine schon das 10. Mal mit, vor zwei Jahren Pokal in seiner Klasse gewonnen.

Was ihm denn am meisten Spaß mit seiner Zündapp macht, frage ich. „Na, halt das Rumfahren mit den (Motorrad-) Kollegen“, meint er und strahlt mich an. Einer seiner Kollegen erzählt von seiner selbst restaurierten BMW, Baujahr 1950.

 

Energie pur

Die Motoren starten. Hier spürt man Energie pur. Der zweite und letzte Streckenabschnitt liegt vor uns. Bei der Fahrt durch Meißenheim notiere ich zusätzlich zur Frage, was denn heutzutage im dortigen stillgelegten Bahnhof untergebracht ist (Getränkehandel): „Bahnhofskneipe, nennt sich Entenköpfer. Von außen vielversprechend. Ausflug wird sich lohnen!“

Bei Orschweier bleiben viele Veteranen einfach am Straßenrand stehen. Nicht etwa weil ihnen die Puste ausgegangen ist, sondern weil man von dort zum Vorgebirge schauen und zählen muss. Sind es 6, 9 oder 12 Windkrafträder, die sich auf den Bergkuppen drehen?

Mit ungebremster Energie erreichen wir das Tabakmuseum von Mahlberg. Aus dem Auto wetzen, weil man hier die Öffnungszeiten in den Fragebogen eintragen muss. Ein freundlicher älterer Herr steht am Eingang und überreicht einen kleinen Prospekt über die Geschichte des Tabaks. „Nächstes Mal fahren Sie nicht einfach vorbei, sondern schauen rein,“ sagt er und wünscht gute Weiterfahrt. Nächstes Mal schauen wir bestimmt rein – nehmen wir uns vor.

Fingerspitzengefühl für alle erfordert die lange Baustelle vor Lahr. Straßenunebenheiten rechtzeitig erkennen, anbremsen und gefühlvoll passieren, sonst ist Aufsetzen vorprogrammiert.

Wir können hier unmöglich alle Streckenüberraschungen erwähnen, aber es waren viele ungewöhnliche und lehrreiche Fragen, Wendemanöver, Zweifel, wenn man von der Route abgekommen war, sich wieder mit anderen zusammenrottete, anderen Fahrern Zeichen gab und sich wieder selbst irgendwie navigierte.

 

Endlich am Ziel und beim Cremeschnittchen

Die Fahrzeuge brummeln in den Trubel und das bunte Treiben auf dem Messegelände, werden von Menschen mit Digitalkameras und Schlotz-Eis begrüßt, und lassen noch mal schön die Motoren aufheulen.

Tempo Nebensache, endlich am Ziel und die Fragebogen werden zur Auswertung eingesammelt. Die Wartezeit bis zur Preisverleihung verbringen wir am Stand unserer Interessengemeinschaft der Roadster in der Messehalle, wo wir auf Edith und Thomas, Ruth und Frank und andere stoßen, die hier den Tag über standgehalten haben.

Auf dem Weg zur Preisverleihung durch die Messehalle bleibe ich plötzlich stehen. Vor mir steht das „Cremeschnittchen“ als 4 CV, das ich nur von Abbildungen kenne. Eine Renault-Rarität mit 20 PS, sogar als 5-Sitzer zugelassen, wie mir der charmante Besitzer erzählt. Der französische Name für das Cremeschnittchen sei noch viel schöner, zergehe einem wirklich auf der Zunge, aber den habe er leider vergessen. Da steht es --- blau und cremefarbig lackiert, die markanten Kiemen vor den hinteren Kotflügeln sind mit Art Deco Gittern verziert und sorgen für die Motorkühlung. Erste Sahne – für 5.200 € zu haben. Ich verplaudere mich und verpasse fast die Preisverleihung.

Gratulation für die Pokalsieger aus unserer RIGO. Klaus und Monika auf VW Kübel. Gerd Werner und Waltraud auf Mercedes SL und Jean-Martin auch auf seinem SL. Wahrscheinlich sind wir an den Schätzfragen gescheitert.

Fazit des erlebnisreichen Tages:„Wer die Faszination Oldtimer liebt, ist voll auf seine Kosten gekommen.“

 

Bericht: Susanne Vaternahm