Maiausfahrt zur "Alte Kirche" in Unterbrändi   

am 5.Mai 2007

Von Fahrspaß-Enthusiasten, Schwarzwälder Kirschtorte und Whisky-Soda-Federung

Am 6. Mai 2007 machten sich vierundzwanzig Oldtimerfreunde der Roadster Interessengemeinschaft Ortenau (RIGO) mit zwölf Nostalgiefahrzeugen auf den Weg. Außergewöhnliches Ziel war das "Gasthaus zur alten Kirche" in Unterbrändi bei Freudenstadt. 

Inmitten dieser Sonntagskolonne brummte ein Mini Riley Elf aus dem Jahr 1969, dessen Erstbesitzerin die verstorbene Offenburger Verlegerin Aenne Burda war.

Offenburg Ein heiterer Maimorgen. In allen Tonlagen starten die Motoren der verschiedenen Nostalgiefahrzeuge und vereinen sich zu einem akustischen Ohrenschmaus. Die Roadsterfreunde sind an diesem Sonntag vertreten mit Triumph TR6, MG TA, Pontiac Firebird, Nissan Pulsar US-Modell, Mercedes Benz 190 SL, MG Midget, Fiat Spider, Audi 80, Mini Riley Elf, Mazda MX5 und VW Golf Cabrio. Speichenräder und Radkappen blitzen chromsilbrig in goldener Morgensonne. Die Kolonne rollt vom Messeplatz aus über Ortenberg, Ohlsbach und Gengenbach weiter durchs Kinzigtal und biegt in Biberach ab nach Zell am Harmersbach.

Inmitten der männergesteuerten Kultautos behauptet sich der Kleinste ohne große Emotionen. Reni, einzige Frau am Steuer und jahrelange Kurierfahrerin, lenkt die fünfunddreißigkommafünf Pferdestärken ihres silberfarbenen Miniflitzers souverän über die Landstraßen. Während die leidenschaftliche Minifahrerin - dieser ist ihr fünfter - über die erstaunlichen Vorzüge dieses 1969 gebauten Veteranen erzählt, versuche ich den Mini zu fühlen: wie es ist, als Beifahrerin knapp über der Straße zu sitzen, das nahezu frei im Raum stehende Lenkrad neben mir so groß wie das eines LKWs, die harte Federung, "Whisky-Soda-Federung" von Kennern getauft, weil anstelle der Stoßdämpfer flüssigkeitsgefüllte Gummibeläge die Stöße abfedern sollen (gefüllt mit Soda, Alkohol und Antikorrosionsmittel). Der Riley Elf von British Leyland, innen ein wahres Raumwunder mit gepolsterter Rückbank, hat geräumige Seitentaschen und einen richtigen Kofferraum im angesetzten Stufenheck. In den Seitentaschen hat Reni ihr Notfall-Set verstaut: Wasser, Öl, Frostmittel, Bleizusatz und einen Ersatzkeilriemen. Als erfahrene Minipilotin kann sie Reifen und Keilriemen wechseln. Die Rückenlehnen der lederbezogenen Sitze sind steil, nicht verstellbar. Also sitze ich aufrechter, als mir lieb ist.

Der Bonsai Rolls (Royce) hat keinen Kosenamen aber eine Seele. Mit der spricht Reni regelmäßig, vor allem, wenn sie kurzfristig "unanständig" überholt - dann wird der Kleine durstig und braucht mehr als acht Liter Super plus auf 100 Kilometern.  

Sportlich wird die Strecke nachdem die Kolonne hinter Zell-Unterharmersbach das Flachland verlässt und sich durch kurvige Schmalpassagen über den Brandenkopf nach Oberwolfach-Walke schraubt. Wir fahren keine materialmordende Vollgastour, sondern schalten um auf bewusstes Arbeiten mit den G�ngen. Die Schappacher Kirche grüßt im Vorbeifahren mit ihren zwei stattlichen Türmen - am Maibaum vor dem Rathaus flattern bunte Bänder. Die Motoren, mit denen sich Legenden verbinden, knattern ihren eigenen Rhythmus. Der Riley brummt hell, ist am Berg spritzig, die Gänge elastisch.

Das Spaßauto hat Franz Burda seiner Aenne 1969 geschenkt, weil die Beatles und die (noch heute amtierende) Queen damals aus Stilbewusstsein den elfenhaften Mini Riley Elf fuhren, schwärmt Reni, selbstbewusste Zweitbesitzerin dieses Oldies, mit herzlichrauem Schmelz in der Stimme.

Aus der Zeit stammen auch zwei ärmellange kuschelige Nerzimitationen. Die lagen zur freien Verwendung auf der Hutablage, als die rassige Reni, liebevoll von ihren Fans "Asphaltcowboy" genannt, den Wagen 1997 kaufte. Seitdem stabilisieren die nebelweißen Felle die hinteren Seitenfenster, weil die Scharniere nicht mehr einrasten. So funktioniert die "Klimaanlage" zuverlässig - sommers wie winters. Reni hat ihre Frischluftzufuhr "well organized".

Frischer Wind bei angenehmen Temperaturen empfängt die nostalgische Kolonne auf der Höhe von Bad Rippoldsau. Wanderer winken, Senioren schauen staunend - fühlen sich wohl in vergangene Zeiten versetzt.

Hinter Ödenwald/Loßburg sind es nur noch ein paar Kilometer auf ebener Strecke bis links ein Wegweiser zum Café und Gasthaus zur "Alten Kirche" nach Unterbrändi kommt. Idyllisch am Dorfrand, umgeben von Hühnerhof und Wildwuchs, liegt die einstige Saalkirche "Unserer lieben Frau". Urkundlich erstmals 1237 erwähnt, hat sie eine bewegte Vergangenheit aufzuweisen. Vermutlich nach dem Leutepriester Heinrich von Brändi benannt, ist sie in der Übergangszeit vom romanischen zum gotischen Baustil entstanden. Von 1972 bis 1986 wurde der noch vorhandene Baubestand durch Schreinermeister Erwin Seeger und seine Familie gesichert und ist seitdem ein Gasthaus. Wir füllen den ehemaligen Altarraum mit vierundzwanzig Genuss -und Nostalgiemenschen und fühlen uns frisch, fromm, fröhlich, frei. Leibliche Genüsse werden in der Küche von einer Schwäbin frisch zubereitet.

Die hausgemachte "Schwarzwälder" verdient vom Geschmack und Umfang her ein besonderes Unterstreichen. Die Fahrspaß-Enthusiasten sind nach dem kulinarischen Auftanken hochmotiviert für die Nachmittagsetappe. Sie meistern ohne Motorblähungen über Vogelsberg, 24 Höfe, Peterzell und Schenkenzell ein 18-prozentiges Gefälle hinunter nach Schiltach.

Der Himmel meint es gut mit den Roadstern. Es scheint als wetteifere er mit dem silberschimmernden Überkopfgewölbe dieses sehr speziellen Mini, der schon als Star im dritten Fernsehprogramm einen viereinhalb-minütigen Auftritt hatte. Reni wählte sich kurzentschlossen samstags in eine Sendung über Oldtimer ein und erzählte über ihren charakterstarken Flitzer. Gerade kein Foto zur Hand, machte sie eine Zeichnung von ihrem Wagen und bekam bald danach Besuch vom Fernsehteam für einen Filmdreh.

Der Tacho im hölzernen Armaturenbrett zeigt bei Reni 50.555 Kilometer an, als die Roadsterbande über Haslach und Steinach wieder in Zell am Harmersbach landet. In der Galerie ARTHUS wartet noch ein besonderes Ereignis. Der Galerist Bertin Gentges hat eigens für die Landstraßensurfer seine aktuelle Bilderschau geöffnet. Passend zum Thema grüßen dort von den Wänden Hollywoodstars der 50er und 60er Jahre. Sie heißen Marilyn Monroe, Audrey Hepburn, Frank Sinatra, Elvis Presley, Emma Peel (Diana Rigg) und Micky Mouse - gemalt von dem weltweit ausstellenden Pop Art Künstler Heiner Meyer aus Bielefeld. Nach diesem Schlusspunkt trennen sich die Wege der Roadster Freunde. Einhundertundsechzig Kilometer gemeinschaftliches Fahrerlebnis haben sie zurückgelegt. Reni mit dem Riley macht sich startklar für die Heimfahrt nach Kehl. Ihr anspruchsloser Kleiner hat ohne Protest mitgehalten - das bekräftigt der Wackelmopps auf dem Armaturenbrett beim Anfahren mit triumphierendem Kopfnicken. 

Bericht: Susanne Vaternahm